AdBlue

by Jörg
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Als ich 2020 unseren Ford beim Händler bestellt hatte, musste es ein 4×4 sein. Wir fuhren zu dieser Zeit im Winter oft in die Berge. Schnee und Kälte. Den 4×4 gab es aber nur in der Topmotorisierung als Diesel. So bestellte ich also meinen ersten Diesel. Die Versprechungen waren vollmundig! Diesel Fahrzeuge sind nicht mehr laut, das war früher so. Turboloch gibt es nicht mehr, das war früher so. Ein Diesel ist viel kräftiger. Der Verbrauch ist so niedrig, das rechnet sich! Das sind aber alles Märchen oder durch die rosarote Brille betrachtet. Lasst euch nicht blenden…
Ja, Diesel sind nicht mehr so laut wie 1960. Aber alle anderen Antriebsarten auch nicht. Und so dröhnt der Ford zwischen 80km/h und 90km/h so laut, dass ich jeweils freiwillig die Automatik übersteuere und in einen ineffizienteren Gang schalte.

Mit den immer strenger werdenden Umweltvorschriften kam vor etwa 10 Jahren ein Problem auf die Hersteller von Dieselfahrzeugen zu. Die Motoren konnten gar nicht so wenig Schadstoffe ausstossen, wie es die neue Vorschrift verlangte. Da behalf man sich mit einem Trick. Man fand heraus, dass man die Abgase nachbehandeln konnte und diese so bis zu 95% sauberer aus dem Auspuff strömten. Aber wer wäre denn die Autoindustrie, wenn sie daraus nicht den maximalen Profit schlagen würde? Die findigen Hersteller setzten sich also gemeinsam an den Tisch und stimmten ihre Bemühungen aufeinander ab. O.K., das war jetzt nicht ganz legal, aber dazu kommen wir später. Bald wurde die Technologie in Europa patentiert. So durfte nun niemand mehr Harnstoff (Urin) verkaufen, ohne den Autoherstellern einen Obolus zu entrichten. AdBlue nannte man das Produkt. Ausserhalb Europa kennt man AdBlue nicht. Man kann dort auch irgendeinen günstigen Harnstoff verwenden.
Damit die Fahrzeuglenker in Europa dann das Produkt auch wirklich kaufen, wurden die Fahrzeuge so programmiert, dass man sie mit leerem Harnstofftank nicht mehr gestartet werden konnten. Ein teuflisch guter Plan!
Mercedes und VW zeigten sich kurz darauf selber an und entkamen so sogar noch der Strafzahlung! Die wissen wirklich, wie man‘s macht. Jedenfalls zahlten die anderen Mitglieder des Kartells die geringe Strafe und so waren nun alle fein raus. Die Marke AdBlue hatte in der Zwischenzeit bereits eine marktvorherrschende Stellung.

Am Tag bevor wir auf unseren Road Trip gingen, holte ich unseren Ford aus dem Service ab. Das vollmundige Versprechen von Ford zum Thema AdBlue war damals beim Kauf: „AdBlue wird jeweils im Service aufgefüllt, mit dem Nachfüllen haben sie eigentlich nichts zu tun“. Bei einem Serviceintervall von 30‘000 Kilometern war für mich klar, dass der Verbrauch von AdBlue marginal sein musste.
Kurz nach der Schweizer Grenze meldete sich das Fahrzeug. Eine Warnmeldung auf dem Display. „AdBlue stand niedrig“, stand da. Da mussten die Leute im Service wohl vergessen haben, den Tank aufzufüllen? Naja, immerhin noch 1200 Kilometer gestand mir das Fahrzeug zu, dann wäre der Tank leer. Als ich mich aber durch das Bordmenue klickte, sah ich bald, dass der Tank noch zu fast zwei Drittel voll war. So was aber auch…
An diesem Tag fuhren wir etwas über 800 Kilometer. Und tatsächlich glich sich die Tankanzeige vom AdBlue beinahe derjenigen vom Dieseltank an. Am Abend war noch etwa ein Viertel im AdBlue Tank.


Am nächsten Tag füllten wir an der Autobahnraststätte Diesel nach. Vergeblich suchte ich nach einer Zapfsäule für AdBlue. In der Schweiz tanke ich immer bei der Coop Tankstelle an der Zapfsäule AdBlue nach. Problemlos. Aber hier in Frankreich gab ich an der dritten Autobahnraststätte auf. Ich kaufte mir im Shop einen völlig überteuerten 1.5 Liter Kanister und füllte nach. Nein, die Anzeige bewegte sich nicht nach oben. Zu geringfügig war die Nachfüllung. Wollten die mich verarschen? Also kaufte ich mir beim Zubehör für LKW‘s einen 10 Liter Kanister! Klotzen, nicht kleckern! HAHAHA! Die 59 Euro schmerzten, aber der Tank war jetzt voll. Wir fuhren auf die Autobahn und sogleich eine erneute Warnmeldung. „AdBlue stand niedrig“. Das konnte doch nicht sein. Im Menu schaute ich nach. Der Tank war voll, aber weil die Warnmeldung erschien, sobald man nur noch 1500 Kilometer fahren konnte, war die Warnmeldung eigentlich permanent auf dem Display. Den Entwickler der AdBlue Tankgrösse sollte man steinigen!

So fuhren wir bisher etwas über 6000 Kilometer. Ich nehme an, dass das Fahrzeug mehr AdBlue einspritzt, wenn die Elektronik erkennt, das ein Anhänger dran ist. Oder es ist ganz einfach so dass mehr AdBlue eingespritzt wird, wenn der „Bärenstarke Dieselmotor in der Topmotorisierung“ Vollgas gefahren wird. Mit dem Anhänger zusammen wiegt unser Gespann knapp 5 Tonnen, am Berg auf der Autobahn schaltet die Automatik üblicherweise vom 9ten in den 5ten Gang zurück und dann ist über weite Strecken Vollgas angesagt.

Ein paar Zahlen möchte ich euch noch mitgeben:
⁃ Normverbrauch Treibstoff laut Hersteller: 5,7 Liter / 100 Kilometer
⁃ Durchschnittsverbrauch Treibstoff auf den letzten 6000km: 10.3 Liter / 100 Kilometer (ein Skandal)
⁃ Auf der Webseite von Ford heisst es, AdBlue müsse alle 11‘000 Kilometer nachgefüllt werden und der Verbrauch betrage 1% des Dieselverbrauches (also 1% von 5,7L/100km)
⁃ Ich habe auf den letzten 6000km insgesamt 21,5Liter AdBlue nachgefüllt. Das entspricht 6,3% AdBlue vom Normverbrauch, resp. 3,6% vom tatsächlichen Verbrauch.
⁃ AdBlue kostet in Südeuropa in den Kanistern zwischen 3.50 und 7.50 Euro pro Liter. Wir haben bisher auf dieser Fahrt über 150 Euro für diesen Urin ausgegeben. Da kommt mir gerade eine Geschäftsidee in den Sinn! So. Jetzt muss ich aber erstmal auf die Toilette 😎

Übrigens: Selbstverständlich wollte ich ausprobieren, ob sich der Motor wirklich nicht mehr starten lässt, wenn der Tank leer ist. Und was soll ich sagen…

1 comment

Thomas Schuler 31. März 2023 - 8:04

Hmmmm 😉 der AdBlue Detektor sollte wohl schon im AdBlue baden …… Doch im Tank ist vielleicht ???? Deine Geschäftsidee.

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