„Die Bahn macht mobil“. Das ist ein Slogan der Deutschen Bahn. Ja, ja… ich weiss. Wir Schweizer sind bezüglich der Pünktlichkeit der Bahn unheimlich verwöhnt. So richtet sich in der Schweiz der Blick von wartenden Passagieren schon bei einer Verspätung von 30 Sekunden suchend gegen den Horizont. Dauert die Verspätung mehr als 2 Minuten, werden die Augen gerollt und alles was noch länger dauert, wird mit Kopfschütteln und lautem Äussern des Unmutes quittiert. Wir sind schon sehr gespannt, wie wohl unser Erlebnis mit der Deutschen Bahn werden wird. So schlimm, wie das alle sagen, kann es ja nicht sein.
Das unsere Rückfahrt von Hoek van Holland nach Ittenthal nicht einfach wird, wissen wir schon längere Zeit. Jörg hat hierfür sogar einen Termin im SBB Reisezentrum vereinbart und selbst dort gab es zeitweise tiefe Sorgenfalten auf den Gesichtern der Angestellten. Ziel ist es unsere 4 Fahrräder, den Anhänger und uns, in absehbarer Zeit nach Hause zu transportieren.
So haben wir erfahren, dass in den Niederlanden die Fahrräder nur in den Regionalzügen transportiert werden dürfen. Dies wiederum nur zu bestimmten Zeiten (zw. 09:00-16:00 Uhr). Für uns heisst das, nachdem wir von Hoek van Holland 32 Kilometer nach Rotterdam zurück gefahren sind, 3x Umsteigen, für die Strecke von Rotterdam nach Düsseldorf.
Immerhin haben wir dann in Düsseldorf die Möglichkeit, unsere Fahrräder in den Eurocity Zug (notabene ein Zug der SBB) zu nehmen und direkt nach Basel zu fahren. Im Eurocity gibt es max. 2 Fahrradplätze pro Wagen. Was heisst, dass wir uns aufteilen werden müssen. Und von Basel geht es dann ja noch weiter bis nach Frick und von dort mit dem Fahrrad nach Hause.
Alleine der Gedanke daran verursacht Schweissausbrüche. Der Entscheid liegt also nahe, die Rückreise auf zwei Tage zu verteilen und eine Nacht in Düsseldorf zu bleiben. Jörg hat alles gebucht, reserviert, die Tickets ausgedruckt und eingepackt. Es sollte nun also alles klappen.
Donnerstagmorgen. Die Stimmung ist gut, aber eine leichte Spannung macht sich bemerkbar. Wir sind am Hauptbahnhof von Rotterdam und stehen vor Schranken, wie man sie von der Metro in Paris kennt. Mit viel Geschick schleusen wir Kinder, Fahrräder und den Anhänger durch die Schranken, wobei wir am Ende Ronjas Fahrrad über die Abschrankung hieven müssen. Hoffen wir mal, dass wir dies nicht bei jedem Zugwechsel in den Niederlanden machen müssen. Überrascht von der Höflichkeit und Hilfsbereitschaft des Bahnpersonals, laufen die drei Bahnwechsel reibungsloser und einfacher als gedacht ab. So müssen wir keine Schleusen mehr passieren und mehrfach wird uns beim Ein- und Ausladen der Fahrräder Hilfe angeboten. Wir werden sogar gefragt wo wir aussteigen müssen, damit der Zugbegleiter den Zug länger halten lassen kann und wir genug Zeit haben. Obwohl wir von diesem Angebot nicht Gebrauch machen müssen, finde ich das richtig toll.
So sitzen wir also im Zug von Arnhem (NL) nach Düsseldorf, als auf meinem Handy die Swisscom SMS „Willkommen in Deutschland“ aufpoppt. Aha! Wir haben also die Landesgrenze passiert. Lange wird es wohl nicht mehr dauern bis wir in Düsseldorf sind. Doch schon am nächsten Bahnhof, fallen die ersten Witze über die Deutsche Bahn. Nachdem nämlich eine Türe nicht mehr geschlossen werden kann und der Zugführer diese von Hand schliessen muss, müssen wir aufgrund einer Baustelle auf einen Gegenzug warten.
Der bis dahin pünktliche Zug sammelt seine ersten Verspätungsminuten. Doch auch nach der Baustelle, geht es nicht flott voran. Wir müssen einem langsamerem Zug folgen und können daher nicht die übliche Geschwindigkeit fahren… okay… die Verspätungsminuten summieren sich zusehends. Bis zu unserer Ankunft in Düsseldorf kam am Ende noch so einiges dazu und neben den unpassenden und sarkastischen Sprüchen des Zugführers, machten wir uns so einige Gedanken, wie wohl unsere Fahrt von Düsseldorf nach Basel werden wird. Scheinbar gibt es doch grössere strukturelle und personelle Probleme bei der Deutschen Bahn.
Freitagmorgen. Kurz nachdem der Wecker klingelt, überprüfe ich ob es zu unserer Zugverbindung nach Basel bereits erste Informationen zur Zugsformation und Abfahrtsgleis gibt. Dabei staune ich nicht schlecht. Kaum ist der Zug in Hamburg abgefahren, hat er schon 3 Minuten Verspätung. Etwas schmunzelnd gehen wir frühstücken. Das kann ja noch heiter werden. Zwei Stunden später steigen wir am Hauptbahnhof Düsseldorf aus dem Aufzug auf Gleis 15 aus und bereiten alles für ein schnelles Einsteigen vor. Fahrradschlösser werden verteilt, Taschen zugeteilt, Zollzettel den Fahrrädern zugewiesen, der Fahrradanhänger zum Zusammenklappen vorbereitet und und und… schliesslich muss es nachher schnell gehen, da der Zug nur gerade 2 Minuten lang hält! Wo wir schon beim Zug sind, er hat bereits 12 Minuten Verspätung. Genug Zeit um noch kurz den Proviant aufzustocken.
Kurz bevor der Zug eintreffen sollte, ist alles bereit. Doch was ist das! Eine kurzfristige Gleisänderung. Echt jetzt? Müssen wir mühsam mit dem Aufzug in den Untergrund des Bahnhofes und auf einem anderen Geleise wieder hoch? Glück gehabt, es ist nur das Gleis 16 gegenüber, aber dennoch müssen wir alles einmal mehr in die Hand nehmen. Mühsam. Mit gut 15 Minuten Verspätung trifft der Zug ein und wir spurten los. Ronja und Jörg bilden ein Team, Zora und ich das Andere. Die Aufträge sind klar definiert und alles klappt reibungslos. Ruckzuck sind die Fahrräder verstaut und wir machen uns mit dem gesamten Gepäck auf zu unseren Sitzplätzen. Ganze 7 Bahnwagen inkl. Speisewagen gilt es zu durchqueren. Nicht unglücklich plumpsen wir auf unsere Sitzplätze und richten uns für die nächsten 6 Stunden ein.
Immer wieder entdecken wir während der Zugfahrt Orte, welche wir mit dem Fahrrad passiert haben. Die Hohenzollernbrücke und den Dom in Köln, Burgen und Schlösser des Mittelrheins, das Deutsche Eck in Koblenz und vieles mehr. Ja, wir haben viel schönes gesehen und erlebt, diese Zugreise macht uns dies nochmals so richtig bewusst. Die Kinder blühen regelrecht auf und erzählen von den unterschiedlichsten Orten und Erlebnissen. Doch was soll das? Eine Durchsage jagt die nächste. Die Verspätung ist inzwischen auf 50 Minuten angewachsen. Langsam aber sicher verstehe ich, woher der Unmut und der schlechte Ruf der Deutschen Bahn kommen. Doch es kommt noch dicker. Aufgrund einer Gleisunterspühlung, müssen wir die Rheinseite wechseln und dort kann der Zug nicht so schnell fahren. Langsam aber sicher verabschiede ich mich vom Gedanken, den angestrebten Zug in Basel noch erwischen zu können.
Am Ende sind es über 60 Minuten Verspätung, als wir in Basel eintreffen. Nun gut. Immerhin sind wir noch am gleichen Tag in der Schweiz eingetroffen. Doof nur, dass wir jetzt genau zur Feierabendzeit in Basel sind. Das kann ja heiter werden. Pünktlich verlässt der Zug den Bahnhof Basel. Ach wie schön ist es doch in der Schweiz. Doch was soll das! Der Zug hält an. Einfach so. Über den Lautsprecher hören wir die Ansage, dass der Zug hier für die nächsten 4 Minuten stehen wird und erst dann die Fahrt in Richtung Frick fortsetzten wird. Unglaublich… jetzt hat doch die Deutsche Bahn tatsächlich unsere Schweizerische Bundesbahn mit ihrem Verspätungsvirus infiziert.
Die Freude ist riesig, als wir in Frick nach total 8 Stunden Reisezeit eintreffen und unsere Räder satteln können. Beschwingt und mit viel Sonnenschein radeln wir los nach Ittenthal. Ja, wir wohnen an einem schönen Ort und es ist auch unglaublich toll wieder hier zu sein.
Ronja lässt es sich nicht nehmen, den Frickberg hinaufzufahren. „Soll ich dir helfen?“ fragt Jörg. „Lass mich, ich bin bis in die Niederlande gefahren, da werde ich wohl auch den Frickberg schaffen!“ keift es zurück 🙂
Übrigens, selbstverständlich kommt noch ein Artikel über unser Eintreffen in Hoek van Holland. Aber das Erlebnis mit der Deutschen Bahn, wollte zuerst verarbeitet werden 😉