Es ist Mittwochnachmittag als wir in Æroskøbing eintreffen. Die Sonne scheint und der Wind bläst konstant aus Nordwesten. Kaum laufen wir in den Hafen ein, steht auch schon jemand am Steg, nimmt unsere Leinen entgegen und hilft uns das Boot in einem ersten Schritt zu sichern. Ohne grosses Papipapo wird unterstützt, angepackt und sich unter die Arme gegriffen. Bis anhin waren vor allem wir es, die in diesen Genuss kamen.
Wir beschliessen 3 Nächte auf Ærø zu bleiben. Der Wind soll stark auffrischen und da wir keine Eile haben, werden wir die Gegend erkunden. Schliesslich wollen wir auch etwas von unserem Gastland sehen.
Donnerstagabend. Der Wind frischt auf und wir haben bereits 5 Beaufort erreicht. Bei Böen liegen wir bei gut 7 Beaufort, also so zwischen 50 und 61 km/h. Der Wind bläst über das Schiff und zerrt an den Vorleinen. Besser gesagt an der Vorleine. Aktuell hält uns genau eine Leine von vier Leinen am Steg. Der Wind trifft voll auf unseren Backbordbug. Mir passt das nicht. Bin ich ja eh schon diejenige, welche am häufigsten Bedenken hat oder Sorgen äussert. Jörg überprüft nochmals die Windvorhersage. Ja, er wird noch stärker. Es werden 8 Beaufort (62-74 km/h) erwartet.
So werfen wir um 21:30 Uhr nochmals die warmen Kleider über und verlegen zusätzlich eine Vorspring. Jetzt ist der Druck besser verteilt und ich kann hoffentlich ein bisschen besser schlafen. Wir sind noch oben auf Deck und sehen uns die Schürfwunden an Jörgs Fingern an. Eigentlich ist er der Konsequentere von uns Beiden, was das Tragen von Handschuhen auf Deck betrifft. Gerade als ich den Verbandskasten holen will, fällt uns ein Schiff auf, welches zuvor versuchte an der Hafenmole festzumachen. Anscheinend hat es nicht geklappt und sie brauchen Hilfe. Sie haben uns an Deck entdeckt und steuern auf den freien Platz am Steg neben uns zu.
Kaum haben wir den Steg erreicht, kommt auch noch ein weiterer Skipper zur Hilfe. Die Crew ist sichtlich aufgelöst, der Skipper nervös. Auf englisch rufen sie uns zu, dass sie ein Motorenproblem haben und das Schiff nur bedingt manövrierfähig ist. Oha… jetzt steigt auch der Druck auf uns. Prompt geht der erste Versuch in die Hose. Die Crew lässt zu wenig Seil und gegen den Wind schaffen wir es nicht, die Leinen zu greifen. Der Skipper setzt zu einem zweiten Versuch an. Wir fangen die Leinen, welche uns die Crew zuwirft. Mit vereinten Kräften, ziehen wir das Schiff gegen den Wind näher zum Steg und fixieren es. Geschafft.
Die englische Besatzung erzählt uns, dass sie bis vor kurzem noch in der Bucht vor Ærø geankert haben. Gestern Abend sei dann die Batterie ausgefallen. Das Charterunternehmen habe ihnen dann mit der Fähre von Sonderborg eine Neue zukommen lassen. Als sie diese mit dem Beiboot (Dingi) abholten, haben sie festgestellt, dass das Beiboot ein Loch hat. Nur knapp reichte ihnen die Luft zurück auf das Schiff. Sie bauten die Batterie ein und machten sich auf den Weg in den Hafen. Dabei haben sie festgestellt, dass die Ansteuerung des Motors nicht mehr korrekt funktioniert. Morgen müssen sie dann das Schiff in Sonderborg ca. 55 Seemeilen entfernt abgeben. Das entspricht mindestens 10 Fahrstunden, da sie den Wind von vorne haben werden. Ach Du liebe Güte!!
Das Ganze hört sich an wie aus einem schlechten Film, wo ein seltenes Ereignis das Nächste jagt.
Ja, auch wir könnten mehr rausholen. Sportlicher die Segel setzen und schneller in die Boxen am Hafen fahren. Aber wollen wir das?
Müssen wir uns gegenüber den anderen Skippern beweisen oder profilieren? Ganz ehrlich? Darauf haben wir keine Lust. Wir sind hier um die wunderschöne Umgebung zu geniessen, die Ruhe auf dem Wasser und die gemeinsame Zeit. Schneller, weiter und länger, zählen für uns nicht.
Gerne helfen wir anderen Booten beim Anlegen und sind dankbar, wenn auch uns eine Hand gereicht wird.
Übrigens: Wir haben uns bewusst nicht für irgendein Charterunternehmen entschieden. Schliesslich wollen wir sicher sein, dass mit dem Schiff alles in Ordnung und der Motor gewartet ist.
Das dies definitiv nicht bei allen so ist, zeigte sich auch auf andere Art. Gleich zwei Notrufsignale wurden am Samstag in der Ostsee abgesetzt. Zuerst ein nicht spezifizierter Zwischenfall und dann noch ein Feuer an Bord eines Schiffes (Motorenbrand). Nein… das brauchen wir nicht und wir hoffen stark, dass den betroffenen Mannschaften rechtzeitig geholfen werden konnte.
Schon fast etwas makaber ist, dass die Mädchen in der Zeit in welcher ich den Artikel schreibe, „Schiffe versenken“ spielen 😅. Hoffen wir mal, dass es die einzigen Schiffe bleiben, welche versenkt werden.