Angekommen in Costa Rica, mussten wir uns erst wieder an die Touristenmassen gewöhnen. In Nicaragua waren wir oftmals die einzigen Gringos, teilweise sogar die einzigen Touristen überhaupt. Mancherorts kannte man uns schon mit Namen und nicht wenige haben uns sogar ihre Familien vorgestellt. Etwas überfahren von all den Werbeschildern und Tourangeboten machen wir uns auf zur North Flieds Coffeee an Chocolate Experience. Jörg hat dort schon vor einigen Wochen eine Tour gebucht. Innerlich sehe ich mich schon mit unzähligen Personen auf einem breiten Pfad durch die Plantage stolpern.
So fahren wir stadtauswärts und suchen den Weg zur Plantage. Der Weg führt uns zu einer kleinen Brücke. Ist dies wirklich der richtige Weg? Die Brücke ist so schmal, dass wir zuerst gar nicht wissen ob diese ausschliesslich für Fussgänger oder auch für Fahrzeuge gedacht ist. Jörg manövriert uns geschickt übe die Brücke und schon bald erreichen wir den Parkplatz der Plantage. Immerhin. Keine auffälligen Werbeplakate. Nur zwei Fahrzeuge auf dem Parkplatz und viel grün um uns herum. Naja, vielleicht wird es ja doch besser als erwartet 🙂
Wir werden freundlich von Be’eto begrüsst. Er freue sich sehr uns über die Plantage zu führen und in die Geheimnisse der Schokolade einzuweihen. Und so finden wir uns rasch in einer kleinen Aula unter freiem Himmel wieder. Wisst ihr von wo der Name Schokolade stammt? Na? Schokolade oder besser gesagt „Xocolatl“ stammt von den Maya. Xoco =Amargo/Bitterkeit, Atl =Agua/Wasser. Für sie war es ein „Getränk der Götter“. Bitterkeit? Ja, damals wurde die Schokolade ausschliesslich als Getränk genossen und nicht mit Zucker oder Milch verfeinert. Nur die Oberklasse der Maya konnte sich den Erwerb von Kakaobohnen leisten. Die Bohnen selbst waren so wertvoll, dass sie als Zahlungsmittel eingesetzt wurden.
Be’eto zeigt uns die verschiedenen Sorten der Kakaofrüchte. Die Farben reichen von grün, über gelb, orange bis hin zu rot. Mit Bedacht nimmt er eine reife Frucht in die Hand und öffnet diese für uns. Wir sollen doch mal das weisse Fruchtfleisch probieren. Naja… es ist nicht ganz so unser Geschmack und so sind wir nicht böse, dass wir den Rest in das Dickicht hinter uns ausspucken dürfen. Schon bald setzten wir unseren Weg fort und Be’eto führt uns tiefer in die Plantage hinein.
Abrupt bleibt er vor einem Kakaobaum stehen. Seid ihr gut in Mathe? Kaum hat er die Frage ausgesprochen, wirft er uns schon die ersten Zahlen um die Ohren. Ganz ehrlich konnte ich mir all diese Fakten nicht merken… es ging mir eindeutig zu schnell und wie Jörg schon richtig bemerkte, sitzen bei mir die Zahlen auf spanisch nicht mehr so gut wie früher. Deshalb schreibe ich mal zu diesen Fakten lieber keine Zahlen 😉 Was mich aber beeindruckt hat ist, dass die Kakaoblüte innert 24 Stunden bestäubt werden muss. Ansonsten vertrocknet sie und die Chance auf die wertvolle Frucht ist vertan. Üblicherweise würden Bienen und Mücken diese Arbeit übernehmen. Fehlen diese, werden die Blüten von Hand bestäubt. Allerdings mit weniger Erfolg, als wenn dies durch die Insekten übernommen wird. Ich muss an das Buch „Die Geschichte der Biene“ von Maja Lunde denken. Sie erzählt dort von der jungen Tao, welche im Jahr 2098 auf einer Plantage Obstbäume mit einem Pinsel bestäubt. Aber bis 2098 ist es noch lange hin. Be’eto weisst darauf hin, dass sie keine Pestizide oder Insektizide verwenden und die Bäume durch die vorhanden Insekten bestäubt werden. Immerhin.
Be’eto zeigt und erklärt uns die drei Gärungs- und Fermentationsstufen. Während Zora gespannt seinen Worten lauscht und immer wieder Fragen zum Verständnis stellt, ist Ronja langsam aber sicher zappelig und unruhig. Sie habe keine Lust mehr und sowieso müsse sie ja sooooo weit laufen, diese Führung sei ein Mist und sie wolle nach Hause. Be’eto hat dies bemerkt und kürzt seinen Vortrag ab. Wir laufen weiter. Nach kurzer Zeit gelangen wir zu einer kleinen Pergola. An einem langen Tisch sind bereits die Degustationsplätze liebevoll vorbereitet. Ronjas Miene heitert sich auf. Endlich eine Pause und dann erst noch eine, bei welcher es anscheinend sogar Schokolade gibt!
Es dauert nicht lange und wir kauen auf einer gerösteten und karamellisierten Kakaobohne herum. Jörg und mir gefällt die Mischung der herben, fast leicht säuerlichen Kakaobohne gemischt mit dem karamellisierten Zucker. Zora ist eher wenig begeistert, isst aber die gesamte Bohne. Ronja… naja, Ronja hüpft vom Stuhl und spuckt die Bohne hinter sich ins Gebüsch. Schnappt sich den Wasserbecher, spült den Mund und speit auch das Wasser in den Busch. Zuerst wissen wir nicht ob wir lachen oder schimpfen soll. Da sich aber Be’eto das Lachen nicht verkneifen kann und sichtlich amüsiert ist, entscheiden wir uns ebenfalls fürs Lachen. Schliesslich ist ja hier in Costa Rica alles „Pura Vida“ und es wird nicht alles so ernst und streng genommen wie bei uns.
Über einer kleinen Gasflamme röstet Be’eto die Kakaobohnen. Wann sie fertig sind, erkennt man an knackenden Geräuschen sowie am Duft. Andere Anhaltspunkte gäbe es nicht wirklich. Anschliessend sind kräftige Kinder gefragt. Die Mädchen werden an die Mühle beordert und mahlen die Kakaobohnen zu einem feinen Mousse, welches wir sogleich verkosten dürfen. Nun ja, spätestens jetzt ist uns klar, weshalb die Maja das Getränk als Bitter bezeichnet haben. Während wir mit einem grossen Schluck Wasser die Masse runter spülen, bemüht Ronja mal wieder den Busch.
Und jetzt kommt tatsächlich noch die Schweiz ins Spiel! Be’eto erklärt uns, dass es Rodolfo Lindt (Rudolf Lindt) war, welcher den Prozess des Conchierens erfunden und somit die Vermengung der Kakaomasse mit dem Zucker bedeutend verbessert hat. Durch das stetige Rühren, wird die Kristallisation des Zuckers verhindert und durch die Reibungswärme wird die Masse flüssig und geschmeidig. So verliert die Schokoladenmasse an Bitterkeit und wird zartschmelzend. Aber dies wisst ihr ja sicherlich schon Alle 🙂
Endlich ging es an die Degustation. Be’eto schöpft uns direkt mit der Suppenkelle von der conchierten, noch leicht warmen Schokolade in eine Holzschale. 70% Kakaoanteil hat diese. Also 30% Zuckeranteil. Milch ist keine enthalten. Diese wird erst ab einem Kakaogehalt von weniger als 60% hinzugefügt. Endlich ist auch Ronja im Schlaraffenland angekommen. Ratzfatz ist ihre Schale leer. Während wir die Masse noch löffelweise mit Salz, Zimt, Chili, Kokosnussraspeln, Erdnüssen oder Zuckerrohrsirup verfeinern, hat sie die Masse direkt pur gegessen.
Als nächstes gibt es eine, wiederum komplett gefühlte Kelle, mit 75% Kakaoanteil. Ja, der Unterschied ist deutlich zu spüren. Nicht nur am Geschmack, sondern auch an Ronjas Miene. Nun folgt 80% Kakaoanteil. Hier fängt auch Zora langsam an zu streiken und auch ich habe deutlich mehr Mühe damit. Aber verfeinert mit Erdnüssen schmeckt es noch ganz gut. Wir kämpfen und hoch bis zu 95% Kakaoanteil. Puah… das ist wirklich gewöhnungsbedürftig und ich entschliesse mich, einen teil davon stehen zu lassen. Ronja schleckt noch die letzten Reste der 75% Schokolade von Jörg aus. Er hat es für sie aufgehoben und sie nimmt es dankbar an.
Be’eto meint, er habe noch eine besondere Überraschung für uns und schwenkt schon die nächste Kelle über unseren Schalen. 85% Kakao mit Kaffee verfeinert. Oh ha! Be’eto hat wieder voll und ganz meine Aufmerksamkeit und ich halte ihm freiwillig meine Holzschale hin. Das will ich unbedingt probieren. Und ja, es schmeckt bedeutend besser als die reine 85% Masse.
So setzen wir mit prall gefüllten Schokoladenbäuchen unseren Weg über die Plantage fort. Selbst Ronja, unser Schokoladenmonster meint, dass sie nun für lange Zeit genug Schokolade hatte. Kurze Anmerkung der Redaktion: Bereits am nächsten Tag hat Ronja wieder einen Schokoladenbrownie gegessen :-). Im weiteren Verlauf dürfen wir übrigens noch Zuckerrohr pressen und den Zuckerrohrsaft verkosten (sowie Zuckerrohr Schnaps für die Erwachsenen) und Kaffee degustieren. Aber dies alles noch zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Was ich euch jedoch sagen kann ist, falls ihr mal in La Fortuna seid und eine Auszeit vom Trubel braucht, dann besucht die Plantage. Es ist eine andere Welt, in welche ihr für gut zweieinhalb Stunden abtauchen könnt.