Von Cancun nach Managua zu fliegen, sollte eigentlich kein grosses Problem darstellen. Luftlinie sind es genau 1007 Kilometer in die Hauptstadt Nicaraguas. Doch Corona hat die angebotenen Flugstrecken in Lateinamerika markant zusammenschrumpfen lassen. Es gab jetzt lediglich noch die Möglichkeiten mit zwei Mal umsteigen oder mit drei Mal umsteigen. Schnellste Verbindung, in 17 Stunden am Ziel. Kosten von 3200 Franken für uns vier, rundeten das tolle Angebot ab.
Nach einigen Recherchen fanden wir dann aber noch eine andere Möglichkeit. 1h45 in die falsche Richtung nach Miami. Dann umsteigen und 2h35 wieder zurück Richtung Süden nach Managua. Selbstverständlich waren auch hier die Zeiten der Flüge so gelegt, dass man es nicht am gleichen Tag schafft. Aber das wollten wir auch gar nicht. Wir buchten zwei Übernachtungen in Miami Beach dazu, einen Mietwagen am Flughafen und eine Airboat Tour in den Everglades. Wenn wir schon mal hier waren, wollten wir dieses unvergessliche Erlebnis mitnehmen. Die Everglades sind ein Nationalpark der USA und Unesco Welterbe. Bekannt vor allem für seine Alligatoren und die „Airboats“, mit denen man durch den Park düsen kann.
Angekommen in den USA (nicht einmal unsere Pässe wurden gestempelt, weil wir noch ein gültiges Visum von unserem letzten Besuch hatten), stellte ich mit Freuden fest, dass sich bei uns schon eine positive Routine eingestellt hat. Jeder schnappte sich seine Koffer, und wir zottelten zu der Mietwagenausgabe. Dort verhandelten wir vier kurz, welcher Wagen es denn dieses Mal werden sollte. Ein Chevy Malibu in Silber. In den USA kann man sich nämlich oft aus mehreren Reihen bereitstehender Fahrzeuge einfach eines aussuchen. Die Schlüssel liegen im Wagen. Erst bei der Ausfahrt wird dann das Fahrzeug dem eigenen Account zugewiesen. Ronja wollte unbedingt für einmal keinen SUV. Ich staunte über das Kofferraumvolumen dieser mittelgrossen Limousine! Auch im Fahrzeug hatte bereits jeder seine Aufgaben. Nathalie installierte gleich unser Navi, welches wir immer mitnehmen und gab die Adresse des Airb&b’s ein. Dann verband sie eines unserer Handys um eine offline Musikplayliste abspielen zu können. Die Kinder installierten sich mit Getränken, Sitzerhöhungen, Sonnenbrillen und so weiter auf den Rücksitzen und ich richtete mich auf dem Fahrersitz ein und machte alle Formalitäten für die Ausfahrt aus der Mietwagen Tiefgarage bereit. Wer sich jetzt fragt warum ich jeweils fahre, dem sei gesagt, dass dies nicht an meinem ausserordentlich bewundernswerten Fahrkönnen liegt, sondern vielmehr daran, dass Nathalie einfach die bessere Beifahrerin ist. Sie schreibt noch kurz dem Vermieter, macht einen groben Zeitplan, führt uns über einen kurzen Umweg zu einem Einkaufsladen und so weiter.
Es war Samstag. Im Wagen hörten wir in voller Lautstärke das Lied „Welcome to Miami“ von Will Smith. Welch ein Spass! Alle sangen mit. Besonders den Teil als die Latina singt „bienvenidos a Miiamiii“.
Am Abend machten wir uns auf zum Ocean drive. Hier ging so richtig die Post ab. Die Autoposer drehten ihre Runden, laute Musik drang aus den Clubs und die Restaurants rangen um die zahlreichen Passanten. Wir assen endlich einmal wieder viel Salat und KEINE Bohnen 🙂 Doch das eigentliche Highlight sollte ja erst noch folgen. Wir machten uns früh auf ins Bett zu gehen. Morgen, da waren wir uns einig, wollten wir fit sein.
Gleich am Stadtrand von Miami beginnen die Everglades. Es war nur eine 30 Minütige Fahrt quer durch die Stadt und schon befanden wir uns mitten in diesem riesigen Sumpf, der gar kein Sumpf ist. Das Wasser in den Everglades steht nicht, es bewegt sich. Unser Führer der sich Captain Billy nannte, sprach vom langsamsten Fluss der Welt. Billy wirkte sehr authentisch! Sein ölverschmiertes Hemd spannte sich über einen grossen Bierbauch. Er war braun gebrannt und hatte immer einen lustigen Spruch auf der Zunge. Hinten an seinem Boot befand sich ein Ventilator gigantischen Ausmasses und ein Motor welcher wohl von einem Sportwagen stammen musste. Ohrschützer lagen an jedem Platz bereit, die Fahrt konnte los gehen.
Die Kinder staunten. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Aber das passierte in den letzten Wochen ja häufiger. Billy startete die Maschine. Ja, doch. Jetzt stülpte sich Ronja doch noch widerstandslos den Ohrschützer über. Kurz vor dem ersten beschleunigen machte Billy dann eine abgekürzte Sicherheitseinweisung mit uns. „Nicht ins Wasser fallen“.
O.K., das konnte man sich wenigstens merken. Und schon drückte es uns in die Sitze. Billy zeigte uns, was sein Gefährt drauf hat. Wir hatten alle ein Grinsen im Gesicht.
Die wilde Fahrt dauerte etwa 10 Minuten. Wir hielten an. Mitten im nirgendwo. Warum sich Billy genau diesen Ort ausgesucht hatte, konnten wir uns nicht wirklich vorstellen. Nachdem er den Motor gestoppt hatte, kam er ganz nach vorne auf das Boot und bediente sich an der Kühlbox. Er drehte sich wieder um und sagte er zu mir „drehe einem Alligator nie den Rücken zu“. Klar, das leuchtete mir ein. Ich nickte. Er zeigte an mir vorbei, ich folgte seinem Finger und drehte mich um. Ja. Da war er, unser erster Alligator!
Billy erzählte uns allerlei wissenswertes über Alligatoren und die Everglades, bevor es weiter ging. Zum Abschied meinte er nur „See you later aligator“. Diesen Spruch empfand ich noch nie so treffend wie gerade eben.
Wir sahen auf der Fahrt noch allerlei Vögel, Libellen, Fische und Baby Alligatoren. Sogar Zora, die an diesem Tag eigentlich schmollte (den Grund kennt sie wohl selber nicht mehr), taute beim Anblick der Baby Alligatoren auf.
Zurück im Auto waren auch die letzten kritischen Stimmen verstummt, welche in Frage gestellt hatten, ob sich der Weg über Miami gelohnt hat. Morgen geht es nun weiter. Nicaragua wir kommen! Gespannt was uns da erwartet. Man hört so viel kontroverses über dieses Land, dass wir uns nun selber ein Bild davon machen möchten!