Letztes mal habe ich unter diesem Titel über die gigantischen Redwoodbäume geschrieben, welche wir besucht haben. Aber heute geht es um die Giganten der Neuzeit! Riesige Kolosse aus Eisen und Stahl, welche die Weltmeere durchqueren.
Da ich nur einen Tag in Panama City bleiben kann, will ich mir an diesem Tag unbedingt noch die Schleusen des Panamakanals ansehen. Und da Jörg dies weiss, hat er am Vortag alles organisiert 🙂 vielen lieben Dank! Mithilfe der Marine Traffic App konnten wir bereits am Morgen sehen, welche Schiffe in den Kanal einfahren. Und so trifft am Nachmittag just in dem Moment, in welchem wir die Besucherterrasse betreten, ein riesiges Frachtschiff auf seinem Weg zum Pazifik ein 🙂
Doch zuerst etwas Geschichte und Hintergrundinformationen 😉
Geschichte:
Schon im Jahre 1513 geisterte die Idee einer Verbindung des Atlantiks mit dem Pazifik in den Köpfen der Einflussreichen und Gelehrten herum. Dennoch dauerte es bis ins Jahr 1881, als die Franzosen mit dem Bau des Kanals begangen. Ja, das kennen wir schon aus dem Geschichtsunterricht, die Franzosen sind gut darin, etwas Anzureissen, aber teilweise eher inkonsequent in der Ausführung. So musste das Projekt aufgrund von Planungsmängeln, Bestechung sowie insbesondere auch wegen der unzähligen Malaria- und Gelbfiebertoten im Jahre 1889 eingestellt werden. Im Schnitt starben 7.5 Arbeiter pro Tag an den damals noch weitgehend unbekannten Tropenkrankheiten! Der Panama Skandal löste dann auch noch einen der grössten Finanzskandale im 19. Jahrhundert in Frankreich aus.
Und so wurde das ganze Projekt und die bereits geleistete Arbeit 1902 an die USA verkauft. Es folgte der Panamakonflikt mit den Vereinigten Staaten von Kolumbien und der Unabhängigkeitserklärung von Panama. Nach langem hin und her, wurde der Kanal 1914 fertiggestellt und das erste Schiff konnte die Schleusen passieren. Wobei hier zu sagen ist, dass der Kanal sowie die angrenzende Zone im Besitz der USA blieb und es nach wie vor zu vielen Konflikten kam. So wurde der Kanal erst im Jahre 2000 an Panama zurückgegeben.
Noch heute gibt es Pläne in Nicaragua, Mexico und auch Kolumbien einen weiteren, geldbringenden Kanal, zu bauen. Konkret umgesetzt wurde bisher aber nur der Ausbau des Panamakanals im Jahre 2016.
Grösse der Schiffe:
Weltweit richten sich die Reedereien von Containerschiffen beim Bau nach der Grösse der Schleusen des Panamakanals. So entstand der Standart der „Panamax“. Also der maximalen Grösse, welche ein Schiff haben darf, damit es gerade noch durch den Panamakanal passt. Diese Giganten sind rund 294m lang und 32.3m breit.
Seit der Eröffnung der neuen, grösseren Schleuse, können nun Schiffe der Grösse „Neo Panamax“ den Kanal befahren. Diese weisen eine Länge von 366m und eine Breite von 49.1m aus. Sie entsprechen also schon fasst der Grösse der Suezmax. Grösser sind nur noch die VLCC (Very large crude carrier), welche der Strasse von Malakka angepasst sind.
Aber nun genug der Details und Hintergründe. Wir stehen also auf der Zuschauer Terrasse der Miraflores Locks. Bei unserem blauen Ungetüm, welches sich in nervenzerreissender Langsamkeit nähert, handelt es sich um die „Cassiopeia Leader“. Die Cassiopeia Leader ist ein Panamax-Frachter, gebaut für Fahrzeugtransporte, mit Heimathafen Tokyo. Selbstverständlich denken wir gleich an Oli, welcher viele Jahre lang für Toyota gearbeitet hat und mit Jörg in Japan sogar eine Toyota Fabrik anschauen ging. Wir machen Scherze darüber, dass zuvor wohl eine Ladung Toyotas ausgeliefert worden sei.
Das riesige, blaue Ungetüm bewegt sich langsam in die Miraflores Schleuse zu. Gezogen und fixiert durch sechs elektrisch angetriebene Lokomotiven, welche entlang der Schleuse mitfahren.
Nach dem Schliessen der hinteren Schleusentore, wird das Wasser abgelassen und langsam senkt sich der Gigant in die Tiefe. Inzwischen erkennt auch Zora die schiere Grösse des Schiffes. Sie sucht nach Vergleichsgrössen, welche ihr vertraut sind. Und ja, jeder dieser Anker am Bug ist so gross wie ein Auto.
Mit lautem Gebimmel, werden die vorderen Schleusen geöffnet und die Cassiopeia Leader fährt in die zweite, untere Schleuse. Bald kann sie ihren Weg zum Pazifik fortsetzten. Die Besatzung ist auf Deck und winkt den staunenden Zuschauern (also uns) zu. Lediglich 20 Seeleute bilden die Besatzung eines modernen Containerschiffes. Da muss jeder Handgriff sitzen!
Jetzt wo das Schiff so nahe vor uns ist, wird uns noch deutlicher bewusst, wie knapp die Schiffsgrösse kalkuliert ist. Zwischen dem Schiff und der Schleusenwand liegen je Seite lediglich 61cm und unter dem Kiel hat es noch 0.6m Wasser. Bei dieser knappen Kalkulation wundert es mich nicht mehr, dass ein Unglück wie dieses der Evergreen passieren konnte. Die Zuschauerterrasse vibriert aufgrund der Schiffsmotoren und Zora wird nachdenklich, sie denkt an die Wale, welche diesem Lärm schutzlos ausgeliefert sind. Sie folgert, dass es ja kein Wunder sei, dass die Meeresbewohner immer mehr Orientierungsschwierigkeiten haben und Desorientiert sind, bei dieser Geräuschkulisse. Zumal sich ja die Vibrationen im Wasser stärker und weiter verteilen als an Land. Zora, du hast es erfasst mein Liebes. Wenn man bedenkt, dass über 90’000 Schiffe unterschiedlicher Grösse auf den Weltmeeren unterwegs sind, wundert es auch mich nicht.
Nun dauert es nicht mehr lange, bis die Cassiopeia Leader die letzte Schleuse des Panamakanals passiert hat. In durchschnittlich 12 Stunden legt so ein Containerschiff die 82 Kilometer lange Strecke und die 26 Höhenmeter zurück. Die Durchfahrt hat die Cassiopeia Leader 2,7 Millionen US Dollar gekostet. Wer das nicht bezahlen will, kann ja aussen herum fahren. Um den ganzen Kontinent Südamerika!
Tschüss du riesiger Gigant aus Eisen und Stahl. Wir wünschen dir immer eine handbreite Wasser unter dem Kiel.