Die spirituelle Seite von Cuenca

by Nathalie
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Cuenca hat mich nicht nur mit einem wunderschönen, historischen Zentrum überrascht, sondern auch mit seinem tief verwurzelten Glauben. Neben den 54 Kirchen und einer grossen Kathedrale, gibt es in Cuenca zwei ganz besondere Orte.

Da ist einerseits das Kloster „Carmen de la Asunción“. Dieses Kloster wird von Nonnen, welche dem Carmelites Orden angehören, bewohnt. Aktuell sind es 16 Ordensschwestern, wobei die Jüngste 65 Jahre alt ist. Zu Gesicht bekommt man diese leider nicht. Die Nonnen haben einen Eid abgelegt, dass sie das Kloster nie verlassen werden und auch keinen direkten Kontakt mit den anderen Menschen haben. Dennoch ist das Kloster ein wichtiger Anlaufpunkt. So ist da zum Beispiel das kleine Fenster in der Kostermauer. Dort kann „Agua de Pitimas“ gekauft werden. Dieses magische Elixier wird von den Nonnen nach einem 300 Jahre alten, streng geheimen Rezept, zubereitet. Es soll die Nerven beruhigen, Liebeskummer und Kopfschmerzen heilen. Ja, sogar Ärzte verschreiben das Getränk teilweise. So verwundert es uns nicht, dass es gleich literweise gekauft werden kann. Auch wir haben zwei Becher gekauft (mit und ohne Zucker) und haben es getrunken. Der Geschmack war doch eher eigen und die Wirkung entfaltete sich auch nicht bei allen wie gewünscht. Nun ja, vielleicht fehlt uns einfach der tiefe Glaube daran.

Wer mehr Beistand von den Nonnen benötigt, der kann in einem Seiteneingang eine Glocke läuten. Durch eine Holzwand wird dann von den Nonnen eine spezifische Frage gestellt und wer das Codewort kennt, der kann bei den Nonnen weitere Produkte kaufen, geweihte Gegenstände für Gebete leihen oder die Nonnen bitten2, für oder mit einem zu beten. In der Zeit in der wir dort sind, suchen mehrere Familien die Nonnen auf und dies mitten unter der Woche.

Auf ganz andere Weise kann Dienstags und Freitags die Hilfe der „Mamas“ am Markt beansprucht werden. Die Mamas führen ein Ritual durch, welches bis in die Zeit der Inkas zurückgeht, jedoch mit christlichen Zeichen versetzt worden ist. Das Ritual besteht aus verschieden Teilen. Als erstes wird mit Hilfe von Kräutern alles Negative und Schlechte aus Körper und Geist vertrieben, ja regelrecht hinausgescheucht.

Anschliessend bittet die Mama ein rohes Ei, ihr zu zeigen, was im Körper und Geist vorgeht. Mit diesem Ei, tastet sie wiederum den gesamten Körper ab. Nach kurzer Zeit öffnet sie das Ei in einen Becher mit wenig Wasser und liest daraus. Ihre Erkenntnisse hat sie uns jeweils ganz leise geflüstert und uns auch gesagt, an was sie es erkannt hat. Nun, da wir wussten was in uns drinnen los ist, hat sie uns noch behandelt. Da war einmal eine Kräuterpaste, welche mit Asche versetzt war. Diese trägt sie uns auf den Bauch, den Rücken und beim Haaransatz auf die Stirn auf. Danach durften wir eine Kräuteressenz inhalieren und auch diese sprüht sie uns noch auf den Körper auf.

Es war eine ganz spezielle Erfahrung und diese Mama hat mich sehr berührt. Selten habe ich jemanden kennengelernt, der solch ruhige Hände hat und auch ihre ruhige und sanft Ausstrahlung hat mich geerdet. Nach diesem Ritual darf man sich nicht bei ihr bedanken und eben so wenig innert den nächsten 24 Stunden Duschen. Ansonsten gehen die Bemühungen von ihr verloren. So lächeln wir drei Mädels artig und verabschieden uns, ohne Danke zu sagen. Ungewohnt, aber wenn es so sein muss, dann muss es wohl so sein.

Auf der Strasse lächeln uns immer wieder Personen an und nicken uns zu. An den Farbklecksen auf unserer Stirn erkennt man, wo wir gerade waren. Ja, die Mamas haben hier in Cuenca einen sehr hohen Stellenwert und ihre Arbeit wird nicht in Frage gestellt.

1 comment

thierry 8. Dezember 2022 - 19:12

Ganz tolle Erzählung – danke vielmal für Teilen.

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