Morgens um 03:30 Uhr klingelt der Wecker. Zora sieht mich flehend an: „Echt jetzt? Muss ich schon aufstehen?“
Ich kann sie gut verstehen. Gerade sind im Nebenzimmer noch die letzten Alkoholleichen nach Hause gekrochen und das Wasser tropft vom letzten Gewitterregen noch aus der abgedeckten Steckdose und von der Decke. Aber ja, es muss sein.
Wir reisen mit kleinem Gepäck und nehmen lediglich die Handgepäckkoffer mit. Mehr als 12kg Gewicht ist nicht erlaubt. Nachdem Jörg den Nachtwächter gefunden und unser restliches Gepäck sicher eingeschlossen ist, kommt auch schon das Taxi.
Es ist eine zackige Fahrt durch die dunklen Strassen von Nicaragua. Immer wieder bremst der Fahrer abrupt ab und weicht einem Fussgänger aus. Ich frage mich, wie viele Fussgänger hier wohl pro Jahr im Strassenverkehr sterben. Sehen und gesehen werden, ist hier inexistent.
Um 05:00 Uhr treffen wir bereits in Managua am Terminal für die nationalen Flüge ein. Bereits sind einige Personen hier, aber Arbeiten möchte noch keiner. Der Check-In öffnet erst um 05:30 Uhr. Zeit für eine Zwangspause.
Schon vor der ordentlichen Öffnungszeit, werden die Türen geöffnet und alle stehen ruhig und geordnet an. Niemand drängelt, Niemand stänkert. Penibel wird jedes Gepäckstück gewogen. Nach dem Gepäck sind die Personen an der Reihe. Jeder wird aufgefordert mit seinem Handgepäck auf die Waage zu stehen. Da sieht man mal, wie schwer so eine Frauenhandtasche ist! Oder ist es doch eher das Essen der letzten Wochen 😉
Nachdem die Flughafentaxen bar bezahlt sind, erleben wir noch den schnellsten Security Check ever. Mitnehmen kann man eigentlich alles. Aber immerhin, es gibt einen Check.
In der Wartehalle sehen wir bereits das Flugzeug. Ronja sieht uns mit fragenden Augen an. Ob das wirklich unser Flugzeug sei? Ja, heute reisen wir mit einem Buschflieger. Oder korrekt ausgedrückt mit einer Cessna 208 Grand Caravan.
Cessna Grand Caravan hört sich gross an, ist aber ein einmotoriges Flugezeug mit sagenhaften 12 Sitzplätzen und einer max. Nutzlast von 1587 kg. Womit auch klar ist, weshalb Alles und Alle so penibel gewogen wurde und auch nach Gewicht zur Beladung bereitgestellt wurde.
Bereits wird der erste Flug des Tages aufgerufen. Leider nicht unserer. So warten wir geduldig. Kurz vor der offiziellen Abflugzeit werden wir informiert, dass das Wetter auf Big Corn Island zu schlecht sei und das Flugzeug momentan nicht starten könne. Wir müssen also warten bis die Regenfront abgezogen ist und die Winde nachgelassen haben. Das kann dauern… zumal sich nun auch die Piloten einen Kaffee holen und sich zu uns in die Wartehalle setzen. So schlendern wir also nochmals zur netten Dame am Kiosk und kaufen noch einige „Tonterías“ (Mist/Dummheiten).
Nach einer weiteren Stunde, wir sollten eigentlich schon bald landen, wird ein Flugzeug betankt. Aha! Endlich kommt Bewegung in die Geschichte. Aber Moment mal… 12 Passagiere passen ins Flugzeug und hier sitzen noch weit über 20ig Personen. Ob wir doch nicht mit dem Buschflieger fliegen? Schliesslich steht daneben noch eine weitere, etwas grössere Maschine. Die Stimmung rutscht in den Keller.
Ein junger Herr stellt sich hinter ein Pult und ruft den Flug nach Bluefields aus. Hmm… wir wissen, dass unser Flug teilweise eine Zwischenlandung dort macht. Ob wir auch einsteigen dürfen? Unsere Banknachbarin hat sich wohl das gleiche gefragt und spricht den jungen Herren an. Nein. Reisende nach Big Corn müssen warten.
Nachdem alle Passagiere nach Bluefields den Wartebereich verlassen haben, zählen wir kurz durch. Noch 11 Passagiere sind zu sehen!! Super 😃 Es könnte also doch klappen, dass wie mit der Cessna fliegen. Jupi!
Und schon geht das Boarding los. Also, so etwas in der Art. Wir nennen dem netten, jungen Mann unseren Namen und er setzt einen Hacken auf seiner Liste. Das wäre es dann auch schon.
Und so laufen wir durch den Regen zum Flugzeug und steigen durch die schmale Leiter ein. Schnell sind wir auf den Sitzplätzen hinter den Piloten, welche ebenfalls gerade Platz nehmen.
Zora interessiert sich für all die vielen Instrumente, während Ronja fragt wann denn hier die Getränke serviert werden. Tja, liebes Mäuschen. Diesen Service gibt es hier nicht, dafür ist das Erlebnis um so grösser.
Kaum haben alle Platz genommen, starten die Piloten die Motoren und wir rollen die 30 Meter hinüber zur Startbahn. Jörg hatte noch nicht einmal Zeit, sich anzuschnallen! Sehr Speditiv! Der Motor brummt laut, die Sitze vibrieren, da und dort klappert und scheppert etwas. Ronja hält sich die Ohren zu. Unweigerlich kommen mir die Zeilen von Mani Matters „Dr Alpeflug“ in den Sinn:
„Los, rüeft dise, we mir jitz nid lande
Gheie mir i ds Tal!
Ghöre gäng no nüt, rüeft äine
Los begryf doch das emal!
So het im Motorelärme
Dr Pilot halt nid verstande
Dass ihm jitz ds Bänzin chönnt usga
Und dass är sofort sött lande
Da uf ds mal wird’s plötzlech still
Nämlech wil ds Bänzin usgeit
Und jitz wo me’s hätt verstande
Hei si beidi nüt meh gseit“
Auch bei unserem Flugzeug sind die beiden Tanks nur halbvoll. Aber wir vertrauen dem Personal jetzt einmal, dass sie korrekt ausgerechnet haben wieviel wir benötigen und dennoch die maximale Last nicht überschritten wird.
Gebannt sehen wir den Piloten über die Schultern und verfolgen ihre routinierten Handgriffe. Der Co-Pilot ist für den Funk und das Logbuch verantwortlich, der Pilot fliegt und navigiert.
Langsam steigen wir auf 9500 Fuss und der Pilot lenkt das Flugzeug ruhig und geschickt durch die Wolken.
Jörg strahlt wie ein kleines Kind. Das Flugfieber hat ihn wieder gepackt. Schliesslich dürfte er diese Maschine selbst fliegen. Naja, einige Auffrischungslektionen würde es wohl benötigen. Aber er dürfte. Er verfolgt die Handgriffe der Piloten und geniesst es.
Ich weiss nicht ob es das Brummen und Vibrieren oder doch die frühe Tagwache war, jedenfalls sind die Mädchen schon nach gut 20 Minuten eingeschlummert. Schade eigentlich. Mein Versuch Zora nochmals kurz zu wecken scheitert kläglich. Nun gut. So wende ich mich dem Fenster zu. Sehe den Masaya Vulkan, welchen wir besucht haben, den Rio Escondido und einfach nur ganz viel grün.
Als wir die Küste erreichen, wecke ich die Kinder und Jörg (auch er ist in der Zwischenzeit eingeschlummert), schliesslich sollen sie den Landeanflug miterleben. Und so beginnt der Pilot schon bald mit dem Sinkflug und die Insel ist am Horizont erkennbar.
Tief überfliegen wir den Strand, die Häuser und Bäume. Ob das gut kommt? Wir haben keine Zeit uns Sorgen zu machen, der Pilot hat schon zur Landung angesetzt und die landet die Maschine sanft und gekonnt. Wow! Da kann sich mancher Linienpilot eine Scheibe abschneiden.
Am Ende der Startbahn rollen wir auf einen kleine Platz und der Pilot dreht sich lächelnd zu uns um „Bienvenidos à Big Corn“ so verlassen wir die Cessna und strahlen allesamt um die Wette.
In der 1-Zimmer Ankunftshalle, direkt nebenan ist übrigens die 1-Zimmer Abflughalle, warten wir auf unser Gepäck. Wobei. Moment, das ist ja schon alles ausgeladen. Dennoch müssen wir wiederum warten.
Der zweite Buschflieger, welcher noch in Bluefields Zwischengelandet ist, trifft ein.
Die Flugzeuge heben bereits wieder mit den Rückflugpassagieren ab, als wir unser Gepäck endlich in Empfang nehmen dürfen. Der Shuttlebus vom Hotel wartet bereits.
Ob der Drogenspürhund wirklich etwas bei unserem Gepäck erschnuppert hat, bezweifle ich. Jedenfalls wird Jörg mit seinem Köfferchen in ein Büro verfrachtet. Wir müssen draussen warten. Zeit, den Kindern zu erklären, dass uns „Gringos“ das nun wohl öfters passieren wird und eventuell nun auch etwas Geld über den Tisch wandert.
Wir freuen uns, als wir um kurz nach 11 Uhr endlich im Hotel (und an der Bar) am Strand sind.
Auf dem Rückflug konnten wir leider nicht mehr mit der Cessna fliegen. Aber auch der Flug mit der grösseren ATR42 war ein Erlebnis. Hier durften wir nämlich eine Zwischenlandung in Bluefields miterleben. So dauerte der Flug von der Insel nach Bluefields etwa 10 Minuten. Ronja fragte ganz erstaunt, ob wir denn schon da seien 🙂
Man kann ja einiges über Niacaragua sagen und lesen. Aber diese Piloten der „La Costeña“, können fliegen und haben ihren Flugplan im Griff. Kaum gelandet, verlassen die Bluefields-Passagiere das Flugzeug, das Gepäck wird aus- resp. eingeladen. Die neuen Fluggäste nehmen Platz, Türe zu und schon befinden wir uns wieder auf der Startbahn. Wahnsinn!
Nach Big Corn zu fliegen war ein riesen Erlebnis und unglaublich spannend. Klar, kann man nach Big Corn auch mit dem Boot fahren. Aber, habt ihr schon mal diese Schiffe gesehen? Und was für ein Wellengang dort herrscht? Nein danke! Dann lieber den teureren Flug (125.- CHF hin und zurück) mit dem netten Flugkapitän 🙂
1 comment
Hallo zusammen, –
Ich verfolge Eure Reise auf Schritt und Tritt. Danke für die tollen Berichte und Videos,- ich erlebe die Reise wie, als wenn ich selbst dabei wäre … aber halt eben nur am Bildschirm und längst nicht so abenteuerlich …
e liuebe Gruss us Büsserach